Avifaunistische Kommission
der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft
(NWO)



Vogel des Monats
Juni 2008

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Er kam aus dem Süden: Der Mönchsgeier



von Manfred Hinterkeuser


Die Leute werden mächtig gestaunt haben, als sie den riesigen Vogel bemerkten. Am 11. Juni 2004 wurde in einem Hausgarten in Lohmar-Heide bei Siegburg im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis ein völlig entkräfteter Mönchsgeier (Aegypius monachus) gefunden. Der Vogel war nicht mehr in der Lage, selbständig Nahrung zu suchen. Er wurde dort mit doch einiger Mühe von dem Falkner Wilfried Aldag und Kollegen von der Greifvogel-Auffangstation „Hagard“ der Kreisjägerschaft in Much-Bennrath eingefangen. Der Geier wog zu diesem Zeitpunkt nur 6000 Gramm.

Er trug an seinen Füßen zwei Ringe: Links TY 2869, rechts BGV; zusätzlich war er mit einem Chip mit dem Code 1F42245D1E versehen. Leider konnten die exakten Details seiner Lebensgeschichte bis Redaktionsschluss nicht völlig in Frankreich aufgeklärt werden. Fest steht aber, dass es ein 2001 auf Mallorca in Freiheit aus dem Ei gekrochenes Weibchen war, also als Wildvogel geboren.

Fotos

Nach einem Unfall gelangte der Mönchsgeier in eine Pflege- und Auswilderungsstation in den französischen Cevennen. Dort wurde er dann beringt, mit einem Peilsender versehen und am 19. Mai 2004 freigelassen. Am 3. Juni ging der Kontakt mit dem Vogel verloren. Möglicherweise verdrifteten starke Winde im Zusammenhang mit einer Gewitterfront den Geier über mehr als 1000 km bis nach Lohmar.

Seit seinem Aufenthalt in den Cevennen hatte er ein Viertel seines Körpergewichts verloren. In der Pflegestation in Much-Bennrath verzehrte er dann 2 Rehe, 2 große Hasen, neun Kaninchen, 10 Wachteln und „zwischendurch“ Rinderschnitzel und Tauben, alles gespendet vom Hegeringleiter Dr. Gerd Ullmann. Als der Mönchsgeier mit dem Spitznamen „Guernica“ so wieder zu Kräften gekommen war und ein Gewicht von 7500 Gramm erreicht hatte, wurde er am 2. September 2004 von Phillipp Lécuyer von der französischen Liga zum Schutz der Vögel (LPO) mit einem Kleintransporter abgeholt und wieder nach Frankreich in die Cevennen transportiert, wo er freigelassen wurde.

Die Beobachtung wurde an die Avifaunistische Kommission der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft (NWO) gemeldet und von dieser anerkannt (AviKom 2007), vorerst in Kategorie D. Mit diesem Votum ist die Meldung dann, da es selbstverständlich eine Art der nationalen Meldeliste ist, an die Deutsche Seltenheitenkommission (DSK) weitergeleitet worden, deren Bericht über das Jahr 2004 noch aussteht. Es wird interessant sein zu erfahren, wie die DSK die Meldung dieses Vogels einstufen wird. In der „Liste der Vögel Deutschlands“ von Barthel & Helbig (2005) wird der Mönchsgeier in der Kategorie BE geführt – mit alten Nachweisen vor 1950 und mit als „Gefangenschaftsflüchtlinge“ eingestuften neueren Beobachtungen.

In der Nordrhein-westfälischen Literatur tauchen Mönchsgeier bisher nicht auf. Weder in dem großen Rheinland-Buch (Mildenberger 1982) noch in der „Avifauna von Westfalen“ (Peitzmeier 1969) ist die Art aufgeführt. Der Lohmarer Vogel dürfte damit der erste sein, der in NRW in Freiheit beobachtet worden ist. Das „Kompendium der Vögel Mitteleuropas“ (Bauer et al. 2005) bezeichnet Mönchsgeier als extrem seltene Gastvögel in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die aber aufgrund erfolgreicher Wiedereinbürgerungsversuche in Frankreich jüngst im westlichen Mitteleuropa wieder beobachtet worden seien.

Zwei Jahre später wurde wieder ein Mönchsgeier in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen: Seit dem 14. Juni 2006 gab es mehrfach Beobachtungen eine jungen Vogels nahe Coesfeld im Münsterland. Er trug links einen grünen Ring mit Zahlencode (Walter Bednarek mündlich), in seinem linken Flügel waren 2 Armschwingen als Markierung gebleicht. Details dieses Nachweises werden derzeit noch recherchiert, immerhin existiert eine Videoaufnahme des seltenen Gastes.
 
Am 21. September 2007 hat C. Rohde bei Salem (Kreis DM) in Mecklenburg-Vorpommern einen Mönchsgeier beobachtet, der von der Seltenheitenkommission der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern (OAMV 2008) als Vogel im 1. oder 2. Kalenderjahr anerkannt worden ist, aber nicht in der Kategorie „Gefangenschaftsflüchtling“. Ein weiterer interessanter Nachweis, der jetzt die DSK beschäftigen wird. Es dürfte nicht mehr allzu lange dauern, bis Mönchsgeier in Deutschland als Wildvögel in der Kategorie A geführt werden. In den Cevennen im Zentralmassiv in Südfrankreich leben derzeit etwa 20 Paare Mönchsgeier zusammen mit rund 200000 Schafen und 200 Paaren Gänsegeiern (Stefan Rathgeber im Greifvögel-Net 26.4.2008). Kein Wunder, dass einige davon sich ab und an auf den Weg nach Norden machen.


Danksagung

Ich möchte mich bei Herrn Mischka von der Rhein-Sieg-Rundschau und bei Walter Bednarek für die freundliche Unterstützung bedanken.


Literatur

Avifaunistische Kommission der NWO (2007): Seltene Vogelarten in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2000 bis 2005. Charadrius 43: 66-91.

Barthel, P. & A. Helbig (2005): Liste der Vögel Deutschlands. Limicola 19: Heft 2.

Bauer, H.-G. et al. (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas – Nonpasseriformes. Wiebelsheim.

Mildenberger, H. (1982): Die Vögel des Rheinlandes, Band 1, Düsseldorf.

Peitzmeier, J. (1969): Avifauna von Westfalen. Abhandlungen aus dem Landesmuseum für Naturkunde zu Münster in Westfalen 31, Heft 3.

Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V. (2008): Rundschreiben Nr. 1/2008. Rostock.

Ringleben, H. (1989): Mönchsgeier. In: Zang, H. et al. (Hg.): Die Vögel Niedersachsens und des Landes Bremen – Greifvögel. Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen, Sonderreihe B Heft 2.3, Hannover.

Team Sammelbericht NRW (2007): Bemerkenswerte Vögel in Nordrhein-Westfalen im Jahre 2006. Charadrius 43: 92-122.


Anschrift des Verfassers:
Manfred Hinterkeuser
Am Hang 16
53819 Neunkirchen-Seelscheid